Corona Tipps und Tricks

Tipps vom Virologen für blinde und sehbehinderte Menschen

Prof. Dr. Dr. Jonas Schmidt-Chanasit

Prof. Jonas Schmidt-Chanasit ist Virologe an der Uni Hamburg und Leiter der Virusdiagnostik am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin. Für den Corona-Ratgeber des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes erklärt er, worauf blinde und sehbehinderte Menschen in der Corona-Krise achten müssen.

Interview: Volker Lenk

Lenk (VL): Unter unseren Mitgliedern gibt es einige, die vielleicht zu Risikogruppen gehören – was können Sie sagen zu Menschen, die 70, 80 Jahre oder älter sind?

Schmidt-Chanasit (JSC): Die gehören zu einer Risikogruppe, das heißt, sie haben ein erhöhtes Risiko, an dieser Infektion schwer zu erkranken und auch zu versterben. Insofern müssen sich diese Menschen jetzt besonders vor einer Infektion schützen, also auf soziale Kontakte, beispielsweise Besuche, verzichten. In Pflegeheimen werden diese Einschränkungen deshalb auch entsprechend durchgesetzt.

VL: Wie sieht es aus bei Menschen, deren Augenerkrankung auf einen Diabetes zurückzuführen ist?

JSC: Eine Zuckererkrankung kann zu Organschädigungen führen und das wiederum kann sich bei schweren Verläufen einer Corona-Infektion negativ auf den Krankheitsverlauf auswirken. Insofern ist Diabetes mellitus als Grunderkrankung ein Risikofaktor. Wenn der Körper gegen eine Corona-Erkrankung kämpft und es Einschränkungen bei der Funktionsfähigkeit der Organe gibt, dann ist das eben nicht so gut.

VL: Was können Sie zu Uveitis-Betroffenen sagen?

JSC: Das Auge ist bei schweren Infektionen kein entscheidendes Organ, um diese Infektionen zu besiegen. Es gibt also erstmal keinen Zusammenhang von Uveitis und schweren Verläufen einer Corona-Infektion. Allerdings haben wir auch hier manchmal die Situation, dass die Grunderkrankung zu Problemen führt. Wenn die Uveitis beispielsweise im Rahmen eines Morbus Bechterew auftritt, dann führt diese Grunderkrankung oder auch die damit verbundene Medikation zu einem erhöhten Infektionsrisiko.

VL: Es gibt immer wieder Hinweise, dass man im öffentlichen Bereich möglichst wenig anfassen soll. Blinde und sehbehinderte Menschen sind besonders darauf angewiesen, sich taktil zu orientieren, müssen also viele Sachen berühren. Was können Sie in dieser Situation raten?

JSC: Das ist eine schwierige Situation, aber eine Schmierinfektion stellt jetzt auch nicht den Hauptübertragungsweg dar. Das viel höhere Risiko ist der persönliche Kontakt mit Erkrankten. Die indirekte Übertragung über Oberflächen ist wesentlich unwahrscheinlicher. Was man beachten muss, wenn man Oberflächen im öffentlichen Bereich berührt hat, ist, dass man sich auf keinen Fall ins Gesicht fassen sollte. Ich weiß nicht, inwieweit es möglich ist, Handschuhe zu tragen, das Tastvermögen ist dann ja eingeschränkt. Falls das möglich ist, würde man das empfehlen.

VL: Und wenn man sich sozusagen durch den öffentlichen Bereich gekämpft hat, sagen wir mal zum Arbeitsplatz, was soll man beachten, wenn man angekommen ist?

JSC: Dass man sich umgehend, sobald es möglich ist, gründlich die Hände wäscht oder sie desinfiziert, und das ist dann auch schon ausreichend. Falls man Handschuhe getragen hat, sollte man diese natürlich ablegen. Auch am Arbeitsplatz sollte man sich aber häufig und immer wieder die Hände waschen oder sie desinfizieren.

VL: Blinden und sehbehinderten Menschen fällt es naturgemäß schwer, selbst auf das Abstandhalten zu achten, unter Umständen merken sie es nicht, wenn ihnen jemand näher kommt, als es gut ist. Was können sie tun, um eine Ansteckung zu verhindern?

JSC: Hier sollte man auch nicht zu ängstlich sein. Es besteht gerade im offenen Raum, das heißt draußen, keine Gefahr, wenn einer zu nah an einem vorbei geht oder wenige Sekunden neben einem steht. Gefährlich wird es, wenn in geschlossenen Räumen ein Gespräch geführt wird und der Abstand mehrere Minuten, wir sagen 15 Minuten, nicht ausreichend ist. Aber das merkt man dann ja auch und die wenigen Sekunden, bis man es bemerkt, sind keine Gefahr.

VL: Gibt es neben den allgemeinen Regeln, wie richtiges Husten und Niesen, Abstandhalten und Händewaschen, andere Hygiene-Hinweise, die für blinde und sehbehinderte Menschen vielleicht hilfreich wären?

JSC: Das ist schon das wichtigste. Man sollte bei Sachen, die man normalerweise gemeinsam nutzt, darauf achten, dass man die Sachen personalisiert, das heißt, dass möglichst nur ein Mensch sie letztendlich benutzt und dass sie nicht durch viele verschiedene Hände gehen.

Das Gespräch wurde am 24. März 2020 geführt.

Weitere gesicherte Informationsquellen zu den gesundheitlichen Fragen rund um Corona

Informationen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)

Die BZgA stellt auf ihren Internetseiten aktuelle und fachlich gesicherte Informationen rund um das Coronavirus und die Erkrankung Covid-19 für Bürgerinnen und Bürger bereit. Sie finden hier außerdem wichtige Hygiene- und Verhaltensempfehlungen zur Vorbeugung von Infektionen. Oberstes Gebot: Möglichst viel zu Hause bleiben, sich nicht ins Gesicht fassen, gute Hygiene mit richtigem Händewaschen und richtigem Niesen und Husten sowie möglichst Abstand zu den Mitmenschen halten.

Obwohl schwere Verläufe auch bei Personen ohne Vorerkrankung auftreten können, haben die folgenden Personengruppen laut BZGA ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe:

·       ältere Personen (mit stetig steigendem Risiko für schweren Verlauf ab etwa 50 bis 60 Jahren)

·       Raucher

·       Personen mit bestimmten Vorerkrankungen:

·       des Herzens (z. B. koronare Herzerkrankung)

·       der Lunge (z. B. Asthma, chronische Bronchitis)

·       Patienten mit chronischen Lebererkrankungen

·       Patienten mit Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit)

·       Patienten mit einer Krebserkrankung

·       Patienten mit geschwächtem Immunsystem (z. B. aufgrund einer Erkrankung, die mit einer Immunschwäche einhergeht oder durch Einnahme von Medikamenten, die die Immunabwehr schwächen, wie z. B. Cortison).

Die Internetseite der BZGA erreichen Sie unter: https://www.infektionsschutz.de/coronavirus/

Informationen des Robert-Koch-Institutes (RKI)

Die Webseite des RKI mit ausführlichen Informationen erreichen Sie unter:

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/nCoV.html

Wo gibt es spezielle Informationsangebote für behinderte Menschen?

Das Bundes Gesundheitsministerium (BMG) hat sein barrierefreies Informationsangebot erweitert und verweist auf folgende Möglichkeiten:

·       Thematische Erweiterungen des Beratungsservices für Gehörlose und Hörgeschädigte (Fax: 030 / 340 60 66 – 07; Mail: info.deaf@bmg.bund.de/; gehoerlos@bmg.bund.de; Gebärdentelefon: https://www.gebaerdentelefon.de/bmg/)

·       Informationen zum Coronavirus in leichter Sprache auf der BMG-Webseite (https://www.bundesgesundheitsministerium.de/coronavirus/coronavirus-leichte-sprache.html)

·       Erklärvideos zu häufigen Fragen rund um das Coronavirus mit Untertitelung auf dem BMG-YouTube-Kanal (https://www.youtube.com/user/BMGesundheit)

·       Barrierefreie Informationsplakate in den Sprachen Deutsch, Englisch und Türkisch auf der BMG-Webseite (https://www.bundesgesundheitsministerium.de/coronavirus.html#c17529)

·       Videos in Gebärdensprache auf der BMG-Webseite und dem BMG-YouTube-Kanal (https://www.youtube.com/playlist?list=PL6W8NUmiDIpzNgkqZ4Nw7ZmOCe2UnoL9w )

·       Handzettel mit Informationen zum Coronavirus in Brailleschrift (derzeit in Auftrag)

Die Themenseite des BMG zum Corona-Virus erreichen Sie über den folgenden Link:

https://www.bundesgesundheitsministerium.de/coronavirus.html

Hier gibt es aktuelle Informationen, weiterführende Links, wichtige Kontaktadressen und auch eine Podcast-Reihe.

Augenärztliche Versorgung in der Corona-Krise

Die Corona-Pandemie hat gravierende Folgen für das Gesundheitswesen. Praxen und Kliniken bestehen derzeit einen massiven Belastungstest. Die Versorgung von Corona-Patientinnen und -Patienten mit schweren Krankheitsverläufen muss vorbereitet und sichergestellt werden. Krankenhäuser sind gehalten, Intensiv- und Beatmungskapazitäten bereitzuhalten und auszubauen. Deshalb werden aktuell alle planbaren und nicht notwendigen Untersuchungen, Behandlungen und Operationen auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.

Was heißt das für Augenpatientinnen und -patienten, für Menschen mit einer feuchten AMD, einem diabetischen Makula-Ödem oder mit anderen akuten Erkrankungen der Augen? Frau Univ.-Prof. Dr. Antonia Joussen, Direktorin der Klinik für Augenheilkunde der Berliner Charité sagt: „Intravitreale Injektionen (Spritzen ins Auge) werden in jedem Fall weiter gemacht, auch notwendige Operationen.“ Zu anderen Notfällen verweist sie auf die Website ihrer Klinik mit aktuellen Informationen für Patientinnen und Patienten zur derzeitigen Situation (https://augenklinik.charite.de/). Überweisende Praxen seien ebenfalls informiert.

Gegenwärtig werden ausschließlich nicht verschiebbare Eingriffe durchgeführt. Zu den entsprechenden Diagnosen gehören beispielsweise eine frische oder wiederkehrende chorioidale Neovaskularisation (CNV, Neubildung von Gefäßen, führt zu Flüssigkeitsansammlungen in der Netzhaut), Netzhautablösung, Virusretinitis (Entzündung der Netzhaut), ein akuter Glaukomanfall, Endophthalmitis (Entzündung des Augeninneren), ein Hornhautgeschwür, ein neu diagnostizierter Tumor, eine Bulbusperforation (offene Augenverletzung) oder ein Fremdkörper im Auge. Wenn es sich um das einzige Auge mit Sehvermögen einer Patientin oder eines Patienten handelt, wird das bei der Beurteilung der Dringlichkeit berücksichtigt.

Alle  anderen Kliniken verfahren ganz ähnlich.

Der Berufsverband der Augenärzte (BVA) hat am 20.02.2020 Handlungsempfehlungen für seine Mitglieder herausgegeben (https://www.kaden-verlag.de/ueber-uns/nachrichten/neues-detail/corona-bva-verschaerft-handlungsempfehlungen/). Alle nicht notwendigen Untersuchungen sollen verschoben werden. Die Entscheidung wird in Abwägung zwischen der Gefahr der Verbreitung des Virus und der Gefährdung des Sehvermögens der Patientinnen und Patienten getroffen. Selbstverständlich sind auch in den Praxen die Hygienevorgaben einzuhalten. Eine generelle Praxisschließung sollte nur bei Vorliegen eines triftigen Grundes stattfinden. Das könnte der Fall sein, wenn die Ärztin oder der Arzt selbst zu einer Risikogruppe gehört oder an COVID-19 erkrankt ist. Auch sollten Patienten der eigenen Sprechstunde nicht unnötig in eine Augenklinik überwiesen werden. Operierenden Augenärzten empfiehlt der BVA ebenfalls, alle medizinisch nicht dringend notwendigen Operationen zu verschieben.

Hinweise für Berufstätige

Im Zusammenhang mit der Einschränkung sozialer Kontakte ergeben sich zahlreiche arbeitsrechtliche Fragestellungen. Ausführliche Informationen finden Sie u. a. auf den Internetseiten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) unter dem folgenden Link:

https://www.bmas.de/DE/Schwerpunkte/Informationen-Corona/informationen-corona.html

Hier geht es zum Beispiel um das Kurzarbeitergeld, Lohnfortzahlung bei Kinderbetreuung, arbeitsrechtliche Hinweise etc.

Die derzeitige Erkrankungswelle mit COVID-19 berechtigt Arbeitnehmer nicht automatisch, ihrer Arbeit fernzubleiben. Das gilt auch für blinde und sehbehinderte Menschen.

Wenn blinde und sehbehinderte Menschen aufgrund der behinderungsbedingten Schwierigkeiten (Erfordernis Gegenstände zu berühren, Schwierigkeiten bei der Reduktion von sozialen Kontakten wegen erforderlicher Assistenzleistungen) die Ansteckung fürchten, können sie versuchen, mit ihrem Arbeitgeber alternative Lösungen zu finden: Dazu gehören beispielsweise Homeoffice, kreative Arbeitszeitmodelle, Nutzung von Urlaub und Arbeitszeitkonten.

Auch wenn Homeoffice als eine Möglichkeit, soziale Kontakte zu minimieren, immer wieder empfohlen wird – ein gesetzlicher Anspruch darauf besteht derzeit nicht.

Sollte jemand zu einer Risikogruppe gehören, sollte mit dem behandelnden Arzt Kontakt aufgenommen werden, um die Arbeitsfähigkeit abzuklären.